Schwer | Metall – Klang aus Erde – Eine Rezension von Harald Wiegand

Klang aus Erde – Bernd-Michael Lands akustische Alchemie

Eine Rezension von Harald Wiegand

Eine alchemistische Klangforschung zwischen Tradition und Experiment
Genre: Ambient / Berlin School / Klangkunst / Field Recording
Spieldauer: 74 Minuten
Bewertung: ★★★★★

Mit Schwer | Metall – Klang aus Erde präsentiert Bernd-Michael Land ein beeindruckendes Konzeptalbum, das seine lebenslange Verbindung zum Werkstoff Metall in eine über 74 Minuten dauernde Klanginstallation übersetzt. Der gelernte Metallbaumeister und Pionier der elektronischen Musik schafft ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen handwerklicher Tradition und experimenteller Klangkunst. Das Album ist mehr als nur Musik, es ist eine akustische Alchemie, die den Hörer auf eine tiefgehende Reise durch die Materie mitnimmt.

Klangkonzept mit wissenschaftlicher Präzision

Bereits die Titelgebung verdeutlicht die durchdachte Struktur des Albums: Jeder der 13 Tracks trägt den Namen eines chemischen Elements, von „Zink“ bis „Kobalt“. Diese thematische Kohärenz spiegelt sich auch im akustischen Ausdruck wider. Land versteht es meisterhaft, jedem Element eine individuelle Klangcharakteristik zu verleihen, die sich auf dessen Materialität und Symbolik bezieht.

Dabei greift er auf eine breite Palette metallischer Klangquellen zurück, darunter Klangstäbe, Zimbeln, Gongs und Kirchenglocken. Ergänzt wird dies durch Field Recordings von Stahlbrücken, Ambossen und Industrieanlagen. Besonders markant ist die Zusammenarbeit mit dem Kasseler Künstler Udo P. Leis, dessen speziell präparierte Kirchenglocken dem Album eine sakrale Tiefe und klangliche Einzigartigkeit verleihen.

Organische Elektronik jenseits des Computers

Statt auf digitale Produktionsmittel setzt Land konsequent auf analoge Hardware Synthesizer und modulare Systeme. Instrumente wie das Haken Continuum Fingerboard oder das SOMA Terra ermöglichen eine feinfühlige, taktile Interaktion mit dem Klanggeschehen, ein Ansatz, der sich unmittelbar in der organischen Qualität der Kompositionen widerspiegelt. Diese Herangehensweise verleiht dem Album eine Authentizität, die in der heutigen digitalen Musiklandschaft selten geworden ist.

Durch binaurale Mikrofontechnik und akribisches Sounddesign entsteht ein räumlich erfahrbares Hörerlebnis. Die Klänge entfalten sich in einer dreidimensionalen Tiefe und entwickeln sich oft langsam, fast meditativ. Die Bandbreite reicht von ätherisch mystischen Texturen bis hin zu rhythmisch pulsierenden Sequenzen im Geist der Berliner-Schule.

Herausragende Klangmomente

Der eröffnende Track „Zink“ führt behutsam in Lands Klanguniversum ein. „Eisen“ wiederum besticht durch kräftige Sequenzen und verweist deutlich auf Lands Wurzeln in der Berliner Schule. Ein Höhepunkt ist das fast 10 Minuten dauernde „Quecksilber“, das mit filigranen Glöckchen und dunklen Drones eine spannungsgeladene Atmosphäre erschafft.

„Kupfer“ entfaltet durch die tiefen Kirchenglocken eine sakrale Aura, während „Gold“ mit fein ziselierten Glockenspielen seinem Namen klanglich gerecht wird. Der Track „Cadmium“ wiederum zeigt mit den Percussion Einlagen von Tommy Betzler (P’Cock), dass Bernd-Michael Land auch strukturierte, rhythmisch geprägte Klangformen überzeugend umsetzen kann.

Zwischen Hörbild und Klangskulptur

Schwer | Metall – Klang aus Erde lässt sich nicht eindeutig einem Genre zuordnen. Es ist weder klassisches Ambient noch pure Berlin School, vielmehr handelt es sich um eine vielschichtige Klanginstallation in Albumform. Die Konsequenz, mit der das Konzept durchgehalten wird, beeindruckt: Die akustische Materialität wird nicht simuliert, sondern real erfahrbar gemacht. Es ist ein Klangporträt der Elemente.

Ein Vergleich mit Karlheinz Stockhausen liegt nahe; beide Künstler behandeln Klang nicht als Ornament, sondern als autonome Ausdrucksform. Auch bei Land verschmelzen elektronische Klänge und konkrete Geräusche zu gleichwertigen Bestandteilen einer musikalischen Sprache, die sich zwischen kontemplativer Ruhe und vibrierender Energie bewegt.

Fazit: Ein Werk zum Hineinlauschen

Dieses Album entzieht sich jedem schnellen Konsum. Es verlangt Aufmerksamkeit und belohnt mit Tiefe. Statt auf eingängige Melodien setzt Land auf langsame Entwicklungen, auf Spannung durch Textur, Dichte und Raum. Wer sich auf diesen Weg einlässt, wird mit einem außergewöhnlichen Klangpanorama beschenkt.

Bernd-Michael Land gelingt es, das Elementare – Metall – durch elektronische Mittel neu erlebbar zu machen. Schwer | Metall ist eine künstlerische Verneigung vor der Urkraft der Elemente und ein eindrucksvolles Zeugnis für die Relevanz analoger Klangkunst im digitalen Zeitalter.

Empfehlung: Für Liebhaber von Klangkunst, Berlin School, Experimenteller Elektronik und Drone ein absolutes Muss.
Idealerweise mit hochwertigen Kopfhörern bei gedimmtem Licht hören, oder noch besser: im Dunkeln.

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1 Antwort zu Schwer | Metall – Klang aus Erde – Eine Rezension von Harald Wiegand

  1. Harald Wiegand sagt:

    Danke Bernie, dass du meine Gedanken auf deiner Seite veröffentlicht hast.
    Es war mir ein Bedürfnis, Schwer | Metall – Klang aus Erde nicht nur zu hören, sondern auch gebührend zu würdigen.

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